Am 23. Juni 2016 stimmte Großbritannien für den Austritt des Landes aus der Europäischen Union. Dieser britische Austritt, oder “Brexit”, wird weitreichende Folgen haben und sich in den kommenden Jahren auf fast alle Bereiche der europäischen Wirtschaft auswirken. Das volle Ausmaß des Brexit auf den europäischen gewerblichen Rechtsschutz wird sich erst zeigen und wird wesentlich von den in Antwort auf den Austritt Großbritanniens erlassenen Gesetzen und Vorschriften abhängen.
Europäische Patente
Das europäische Patentrecht wird durch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) geregelt, ein multilateraler Vertrag, durch den das Europäische Patentamt (EPO) geschaffen wurde. Das EPO erteilt europäische Patente unabhängig von EU-Verordnungen oder -Richtlinien. Weitere Länder, wie etwa die Schweiz und Norwegen, sind Mitglieder des EPÜ, obwohl sie nicht der EU angehören. Somit werden sich im Hinblick auf europäische Patente für Großbritannien und den Rest Europas durch den Brexit keine Veränderungen ergeben.
Von der EU vorgeschlagenes einheitliches Patentgericht und Einheitspatentsystem
Das einheitliche Patentgericht (UPC) ist ein geplantes patentspezifisches Gericht, das nur Mitgliedsstaaten der EU zugänglich ist. Nachdem das UPC in Kraft getreten ist, wird es für Verletzungsklagen und Nichtigkeitsverfahren nicht nur bei neu erteilten EU-weiten Einheitspatenten, sondern auch bei bereits bestehenden europäischen Patenten für diejenigen Mitgliedsstaaten zuständig sein, die dem Gemeinschaftspatentübereinkommen beitreten. Entscheidungen des UPC werden mit einheitlicher Wirkung auf sämtliche Mitgliedsstaaten der EU, die den jeweiligen Abkommen beigetreten sind, erfolgen.
Das UPC sollte ursprünglich Ende 2017 in Kraft treten, wobei Großbritannien eine wichtige Rolle als zukünftiger Standort einer der drei Zweigstellen des Gerichts spielen sollte. Aufgrund des Brexit kann Großbritannien jedoch nicht länger am UPC teilnehmen. Es kann angenommen werden, dass sich das Inkrafttreten des UPC und des Einheitspatentsystems um zumindest ein oder zwei Jahre verzögern wird.
Europäische Marken und eingetragene Designs
Der Brexit wird erhebliche Auswirkungen auf europäische Unionsmarken und eingetragene Designs haben. Gegenwärtig werden europäische Unionsmarken und Designs durch das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO), einer Zweigstelle der EU, registriert und verwaltet. Diese Registrierungen gewährleisten einen einheitlichen EU-weiten Schutz, da eine einzige Registrierung in der ganzen EU durchsetzbar ist.
Während neue EU-Registrierungen, die nach dem Inkrafttreten des Brexit angemeldet werden, keinen Schutz für Großbritannien bieten werden, ist nicht klar, was mit den bestehenden EU-Registrierungen nach dem Vollzug des Brexit geschehen wird. Es ist möglich, dass Großbritannien neue Gesetze erlässt, die es den Inhabern von EU-Registrierungen erlauben, durch ein Umwandlungsverfahren nationalen Schutz zu erhalten. Es ist ebenso möglich, dass Schutzrechtsinhaber ihre Marken oder Designs in Großbritannien neu anmelden müssen, um den Schutz aufrechtzuhalten. Wir erwarten jedoch, dass das Prozedere für die Beibehaltung des Schutzes früherer EU-Marken und -Designs in Großbritannien so einfach wie möglich gestaltet werden wird, um die Inhaber von Marken- und Designrechten zu ermutigen, ihre Schutzrechte dort aufrechtzuerhalten.
Während es unklar ist, wie sich die zukünftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU im Hinblick auf Marken und eingetragenen Designs gestalten wird, wird deutlich, dass sich durch den Brexit die Kosten für Schutzrechtsinhaber und potenzielle Anmelder erhöhen werden. In Europa tätige Unternehmen sollten sich dieser höheren Kosten bewusst sein und entsprechend eine Anpassung ihrer zukünftigen IP-Budgets planen.
Quelle: Intellectual Property News August 2016
Autor: Dr. Werner Behnisch, Patentanwalt, isar patent®, Patent- und Rechtsanwälte, Friedrichstrasse 31, 80801 München
Ines Jahnke
Ihre Ansprechpartnerin zum Thema Schutzrechte
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